Morgan Rogers – Honey Girl

„Honey Girl“ von Morgan Rogers erzählt die Geschichte der 29-jährigen Grace Porter. Als lesbische Schwarze Frau ist sie es gewohnt, immer härter Arbeiten zu müssen als der Rest und so ist es kein Wunder, dass sie ihre Promotion in Astronomie hervorragend abschließt. Doch ihr vernunftgesteuertes Leben nimmt an einem Wochenende in Las Vegas eine überraschende Wendung.. Die Story beginnt mit Grace, die in einem Hotelzimmer neben einer ihr unbekannten Frau aufwacht – und an ihrem Finger einen Ehering vorfindet. Ein Hochzeitsfoto bestätigt den Verdacht, sie hat die Unbekannte in der Nacht zuvor geheiratet. Die Wege der beiden trennen sich, bevor sie ein weiteres Wort miteinander wechseln und Grace fliegt mit ihren Freundinnen zurück nach Hause. Dort beschäftigt sie eigentlich vor allem ihre Jobsuche, die sich als Astronomin, und insbesondere als Schwarze Frau in diesem Feld, nicht besonders leicht gestaltet. Doch sie kann ihre Frau nicht vergessen, und nimmt schließlich Kontakt zu ihr auf. Da sie ohnehin gerade mitten in einer Lebenskrise steckt, beschließt sie kurzerhand ihre Sachen zu packen und ans andere Ende der USA, nach New York, zu fliegen, und ihre Ehefrau Yuki erstmal kennenzulernen.

Grace wird als absolute Workaholic dargestellt, die ausschließlich für Ihr Studium gelebt hat und alles weitere Vernachlässigt hat. Dennoch scheint sie es geschafft zu haben sich ein stabiles soziales Netz aufzubauen, denn sie hat mehrere sehr enge Freund*innen, mit zwei davon lebt sie sogar zusammen und verbringt auch das Vegas-Wochenende mit ihnen. Ein bisschen seltsam kommt die Beziehung zu den beiden aber trotzdem immer mal wieder rüber. Zum einen ist da Ximena, die sie eigentlich als Krankenschwester ihres Vaters kennenlernt, wodurch es einen komischen Vibe hat, dass die beiden zunächst sehr flirty miteinander sind. Dass Ximena mit der dritten Mitbewohnerin, Agnes, was am Laufen hat, wird stark angedeutet, ist aber noch viel weirder, denn Ximena hat Agnes als Psychiatrie-Patientin auf der Arbeit kennengelernt. Fragwürdig genug, aber auch die Darstellung ihrer psychisch kranken Freundin ist an Klischees kaum zu überbieten. Zu einem späteren Zeitpunkt wird Agnes mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung diagnostiziert, aber Grace ist viel zu beschäftigt mit sich selbst um irgendwann für ihre Freundin und deren Probleme da zu sein. Dieses Muster zieht sich auch durch alle weiteren Freundschaften von Grace und lässt sie nicht unbedingt im sympathischsten Licht erscheinen.

Sie lebt für ihr Studium und will nach ihrem Abschluss verständlicherweise einen guten Job. Natürlich ist das für eine Schwarze Frau in einem MINT-Feld gleich doppelt schwierig, und in ein oder zwei Situationen wird das auch deutlich, aber ein Großteil des Jobthemas verfehlt in meinen Augen leider das Ziel den Struggle von Grace hier realistisch und in ihrem Sinne darzustellen. Astronomie ist kein Feld in dem es überhaupt super viele Jobs in der Wirtschaft gibt, und Graces Doktormutter hilft ihr immens um an Vorstellungsgespräche zu kommen, vermittelt Kontakte und bietet ihr die ganze Zeit über auch eine Stelle in ihrer Arbeitsgruppe an. Aber für Grace ist einfach nichts was ihr angeboten wird gut genug, oft auch ohne vorher auch nur einen genauen Blick drauf zu werfen, wie z.B. bei einer Juniorprofessur an einer Uni die ihr auf Anhieb zu klein ist.

Natürlich kommt Graces Anspruchshaltung nicht von ungefähr, sondern wurde von ihrem Vater geprägt. Der Vater ist beim Militär und wird von allen, inklusive seiner Tochter, nur der Colonel genannt. (An dieser Stelle muss ich mal kurz einschieben, dass ich immer wieder an diesen Comic von Sarah’s Scribbles denken musste: „Wait… Co-lo-nel is Kernel“, weil ich das auch richtig lange Jahre immer falsch gelesen habe. :D). Jedenfalls ist der Colonel ziemlich unausstehlich und entspricht jedem Militär-Klischee. Er spricht seine Tochter auch nur mit ihrem Nachnamen an und trichtert ihr ein dass eine Porter nie aufgibt, eine Porter super tough ist, yada yada yada. Diesen unrealistischen Erwartungen gerecht zu werden ist natürlich unmöglich und Grace ist langsam aber sicher unter diesem Druck zerbrochen, kann aber gleichzeitig die von ihrem Vater erlernten Glaubenssätze nicht abschütteln. Diese Beziehung und dieser Struggle sind eigentlich ihr absolutes Kernthema mit dem sich Grace und damit auch das Buch beschäftigen.

Und dann ist da natürlich noch Yuki, die unbekannte Ehefrau, die es kennenzulernen gilt. Und auch hier möchte ich gerne wieder das Wort „Klischee“ auspacken, denn sie entspricht ganz genau der Schablone des Manic Pixie Dream Girls. Sie ist exzentrisch und natürlich nicht wie die anderen Mädchen, aber wirkliche Charaktertiefe war ihr trotzdem nicht vergönnt und sie bleibt leider ziemlich zweidimensional.

Auf einen Schlag ist alles wieder da, sämtliche Eigenschaften, die Grace Porter ausmachen. Gewissenhaftigkeit. Effizienz. Sinn für Details

Ihr kennt sicherlich alle den Terminus „show, don’t tell“? Hier wird alles erzählt und nichts gezeigt, wie wir ganz wunderbar an dieser eleganten Liste von Graces Eigenschaften sehen. Und das ist leider kein Einzelfall, es hat mich ganze 20 Sekunden gekostet um ein Textbeispiel dieser Art zu finden. Den Schreibstil kann ich also leider einfach nur als plump beschreiben. Gelegentlich wird ein mittelmäßiges sprachliches Bild gefunden – sowas wie „Haare wie Gold und Honig“ – was dann aber durch unendliche Wiederholungen unerträglich wird.

Kein Wunder also, dass ich erstmal nur sehr schleppend in das Buch gestartet bin. Und das obwohl ich mich eigentlich richtig doll auf den Roman gefreut hatte, weil ich eine queere Schwarze Protagonistin super spannend fand und die Las Vegas Lovestory nach einer Menge Spaß klang. Allerdings ist die Liebesgeschichte eher ein Nebenschauplatz und das zentrale Thema von „Honey Girl“ ist eigentlich die Beziehung von Grace zu ihrem Vater, dem Colonel. Außerdem werden viele Themen erst angerissen, dann aber links liegen gelassen, wie zum Beispiel Agnes‘ psychische Krankheiten. Das war bestimmt irgendwie gut gemeint, aber leider nicht gut gemacht. In meinen Augen hätten es weniger Baustellen, in besserer Qualität erzählt, sein können.

💛🤍🤍🤍🤍 (enttäuschend)

Morgan Rogers
Honey Girl
978-3-423-26304-7 
dtv
Klappenbroschur, 15 €

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