
Zu „Katzenberge“ von Sabrina Janesch bin ich gekommen wie die Jungfrau zum Kinde. Es war tatsächlich ein lieber Stammkunde in der Buchhandlung, der das Buch bestellte, bezahlte und dann aus heiterem Himmel sagte „Das ist für Sie. Lesen Sie es, und dann sprechen wir mal darüber“. Ich war erstmal total überrumpelt und wusste auch gar nicht, ob ich das annehmen konnte und sollte, aber der Herr I. lies nicht mit sich verhandeln. Im Weihnachtstrubel habe ich ihn immer auf Januar vertröstet, und deshalb habe ich „Katzenberge“ direkt als drittes Buch in diesem Jahr gelesen. Darüber sprechen konnten wir dank Lockdown aber noch nicht.
Es geht um Nele, eine junge Journalistin aus Berlin. Ihr Vater ist Deutscher, aber ihre Mutter ist Polin, und so ist sie mit beiden Sprachen und Kulturen aufgewachsen. Ihr polnischer Großvater, genannt „Djadjo“ war dabei besonders prägend für sie. Er verstirbt zu Beginn des Buchs und ist der Auslöser für ihren Besuch bei der Verwandtschaft in Polen und der Auftakt zu einer Reise auf seinen Spuren, die sie bis in die heutige Ukraine führen wird. Dabei springen wir immer zwischen den Zeiten hin und her, denn gleichzeitig wird die Geschichte ihres Großvaters in der Vergangenheit erzählt.
Historisch ist das ganze super interessant und ich konnte hier eine Menge über Geschichte lernen, was mir so gar nicht bewusst war. Das was jetzt folgt ist jetzt weniger Spoiler und mehr Hintergrundwissen: Djadjo ist nämlich in Galizien geboren, genauer gesagt in Ostgalizien, damals noch ein Teil von Polen. Durch die Unruhen des Zweiten Weltkriegs kam es zu sogenannten Bevölkerungsverschiebungen, sodass zwischen 1944 und 1946 die polnische Bevölkerung aus Galizien vertrieben wurde, was heute zur Ukraine gehört. Die Pol*innen wurden damals einfach entwurzelt und in die ehemals deutschen Gebiete Polens geschickt. So wie Djadjo, der in Schlesien ein neues Leben beginnen musste.

Dabei ist sowohl Nele Wahrnehmung, als auch die Djadjos sehr von den Gruselgeschichten und Märchen der Gegend geprägt. Ständig tauchen dunkle Omen und schaurige Schatten auf, wenn nicht sogar ein Biest. So sehr ich auch Mythen und Sagen liebe, an dieser Stelle hat mich der Roman leider ein bisschen verloren. Dieses Übersinnliche wird hier nicht erzählt, sondern gelebt. Das ganze driftet ins Fantastische und man ist nicht sicher, ob Djadjo durch posttraumatischen Stress halluziniert, oder ob der Spuk wirklich stattfindet. So oder so, es wird geraume Zeit damit verbracht aus Waldmeister magischen Sud zu kochen, Kreuze aus Blutbuchen aufzustellen und tote Eulen an Eingangstüren zu nageln.
Generell war es nicht nur das Magische, was mich nicht überzeugen konnte. Naturbeschreibungen sind nicht mein Fall und haben mich dementsprechend in der Fülle auch nicht abgeholt. Auch durch die vielen Namen und Ausflüge ins Polnische kam ich oft ins Stocken und mein Lesefluss war nicht ganz so flüssig, wie ich es mir gewünscht hätte.
Dennoch muss ich sagen, auch wenn ich es mir so nicht selbst ausgesucht hätte, und es auch nicht mein Lieblingsbuch wird. Schlecht war es nicht, und es war durchaus eine Bereicherung für mich „Katzenberge“ zu lesen, Dadurch habe ich mich mit einem Stück europäischer Geschichte auseinandergesetzt, was mir bisher völlig unbekannt war, und ich liebe es einfach, wenn ein Buch meinen Horizont erweitert.
💛💛💛🤍🤍 (gut)
Sabrina Janesch
Katzenberge
978-3-7466-2798-4
Aufbau Taschenbuch, 13 €