Monika Helfer – Vati

Im letzten Jahr war Monika Helfers Roman „Die Bagage“ ein Highlight des Frühjahrs. Tolle Kritiken überall un einige meiner Kolleginnen waren ebenfalls begeistert. Aber wie das oft so ist in der Buchhandlung, wenn die Kolleg*innen ein Buch schon gut kennen, hat man eher das Gefühl, dass man es nicht auch noch selber lesen muss. Stattdessen liest man etwas neues um die Schwarmintelligenz in der Buchhandlung zu bereichern. Jedenfalls sind dann die Leseexemplare für das Frühjahr eingetrudelt und ich habe direkt zugegriffen und mir das Buch zu Gemüte geführt.

Wie schon in „Die Bagage“ erzählt Monika Helfer auch in „Vati“ autobiographisch von ihrer eigenen Familiengeschichte. Wie der Titel schon verrät geht es dieses Mal hauptsächlich um ein Porträt ihres Vaters. 

Er ist ein Kriegsversehrter mit Beinprothese, der „Mutti“ im Lazarett kennenlernt. Sie ist Krankenschwester und hat Angst, dass nicht genug Männer übrig geblieben sind und macht ihm einen Heiratsantrag. Er sagt ja und zusammen mit ihren beiden Töchtern, später noch einem Sohn, ziehen sie nach Oberösterreich. Dort in den Bergen leitet er ein Erholungsheim für Kriegsopfer und Monika verbringt dort ihre Kindheit.

Von dort aus reisen wir durch die Zeit. Von der Kindheit des Mannes bis hin zur Gegenwart, in der Monika Helfer mit ihren Familienangehörigen spricht und Nachforschungen über das Leben ihres Vaters anstellt. Dabei tauchen wirklich viele Verwandte auf, und ich denke es hätte wirklich nicht geschadet „Die Bagage“ vorher gelesen zu haben um nicht durcheinander zu kommen. Man versteht es aber auch so, ohne den Vorgänger zu kennen.

Was mich an dem Roman begeistert hat war die sprachliche Schönheit, mit der die Autorin die Geschichte erzählt. Stellenweise war der Spannungsbogen nicht zum zerreißen gespannt, aber das war okay. So ist das Leben und die Erzählweise hat das durchaus wett gemacht. 

Was mich am Ende jedoch ein bisschen unbefriedigt zurückgelassen hat, war, dass ich zwar ein ganzes Buch über „Vati“ gelesen habe, aber eigentlich immer noch nicht weiß, wer er eigentlich ist. Ich finde er ist ein unheimlich schwer zu greifender, widersprüchlicher Mensch. Ein ruhiger Zeitgenosse, mit einer Obsession für Bücher. Ein liebender Ehemann, aber ein unterkühlter Vater. In einem Moment wird er einem gerade sympathisch, im nächsten ist er einfach furchtbar zu seinen Töchtern. Ich glaube irgendetwas hat mir am Ende einfach gefehlt um die Sache für mich rund zu machen, das ist aber tatsächlich ein sehr subjektiver Eindruck.

Insgesamt ein toll geschriebener Roman. Wer Familiengeschichten mag ist hier hervorragend aufgehoben. Wer Spannung und klare Tatsachen braucht, eher nicht. Ich habe „Vati“ jedenfalls gerne gelesen.

💛💛💛🤍🤍 (gut)

Monika Helfer
Vati
978-3-446-26917-0
Hanser Verlag
Hardcover, 20 €

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