Emilie Turgeon – Nur mit Dir

Gerade habe ich „Nur mit Dir“ von Emilie Turgeon beendet und es hat bei mir folgende Frage aufgeworfen: Wie gerne kann ich ein Buch noch haben, wenn ich den Hauptcharakter einfach unerträglich finde?

Kurz zum Inhalt des Buchs und daher auch Anlass dieses Posts: Die 16-jährige Roxanne ist mit 8 Jahren auf Grund eines traumatischen Ereignisses, an das sie sich nicht mehr erinnern kann, ertaubt. Diese Art der Taubheit soll eigentlich maximal ein paar Monate vorhalten, doch da sie nicht mehr weiß, was die Taubheit ausgelöst hat, kann sie das Trauma nicht verarbeiten und bleibt daher jahrelang hörbehindert. Bis schließlich ihr Kindheitsfreund Liam auftaucht – jetzt nicht mehr moppelig wie früher, sondern plötzlich superheiß – und plötzlich kann sie wieder hören. Jedenfalls in seiner Gegenwart. Zusammen klären sie dann auf was damals passiert ist, aber natürlich nicht ohne sich zu verlieben.

So weit so schnuffig, alles ganz wunderbar und ich hab es echt gerne gelesen. Nur wenn ich mal eine Pause gemacht habe und Roxannes Verhalten reflektieren konnte, ist mir aufgefallen, was sie eigentlich für eine furchtbare Person ist. Und damit meine ich nicht mal, dass ihr Liam erst noch eine Freundin hat, der sie ihn ausspannt. Oder, dass sie in Betracht zieht mit ihrem Kumpel aus der Schule zusammenzukommen, für den sie eigentlich gar nichts übrig hat. Das schlimmste ist für mich, was sie für eine beschissene Freundin ist.

Ihre „beste Freundin“ heißt Lucie und Roxanne lässt nicht ein gutes Haar an ihr. Erstmal findet sie, dass Lucies Taubheit nicht so schlimm ist, wie ihre eigene, weil Lucie taub geboren ist und daher nicht weiß was sie verpasst, dadurch dass sie nicht hören kann. Schon ziemlich heftig so zu denken, besonders weil Lucies art der Taubheit durch eine Operation geheilt werden könnte, aber ihre Eltern die OP nicht wollen, weil sie ebenfalls hörbehindert sind, und zusammen in so einer Art Kult leben, in der man Hörende verachtet. Eigentlich eine ziemlich traurige Geschichte für Lucie, aber trotzdem ist sie ein super lebensfrohes Mädchen. Sie ist aufgeschlossen, selbstbewusst und hat gerne kleine romantische Abenteuer. Gut für sie, sollte man meinen – aber nein. Roxanne ist einfach nur genervt davon, dass ihre Freundin sich gerne auffallend und freizügig kleidet und würde ihre Klamotten am liebsten verbrennen. Außerdem verurteilt sie Lucie bei so ziemlich jeder Gelegenheit, weil sie wechselnde Partner hat (die aber immerhin nicht vergeben sind – just sayin‘). Das ist so antifeministisch und überhaupt so eine miese Basis für die Freundschaft. Generell ist die gesamte Basis, dass beide Taub sind und miteinander Mittagessen, Lucie versucht zwar immer wieder mehr aus der Freundschaft zu machen, aber Roxanne schließt sie komplett aus und lügt sie dauerhaft an. Immerhin zieht Lucie am Ende daraus die Konsequenz und kündigt die Freundschaft, was Roxanne aber irgendwie trotzdem als „sie ist sicher nur neidisch weil ich jetzt hören kann“ auslegt.

Das Ende vom Lied ist dann schließlich, dass sie ihre beiden einzigen Freunde verliert, die sie je hatte und mit ihrem Dude zusammenkommt, der von nun an ihr komplettes soziales Umfeld darstellt. Ach und das Mädchen, was einmal auftauchte und ihr eine Freundschaftsanfrage bei Facebook schickte wird auch noch mal als eine supi Freundin erwähnt – warum auch immer.

Das klingt jetzt erstmal so, als hätte ich das Buch super scheiße gefunden – ist aber nicht so. Ich habe trotzdem sehr genossen es zu lesen und kann auch mit einem unsympathischen Hauptcharakter umgehen. Generell mag ich ja Charaktere mit Fehlern immer lieber als glattgebügelte Protagonist*innen. Nur in diesem Fall habe ich das Gefühl, dass die Schwächen, die mir hier so sauer aufgestoßen sind, gar nicht die waren, die mir das Buch eigentlich vermitteln wollte.

Fazit: 🖤🖤🖤🤍🤍

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